„…sonst wird mir gekündigt“ – unter diesem Eindruck stimmen viele Mieter einem Mieterhöhungsverlangen zu. Dabei ist diese Befürchtung völlig unbegründet. Und längst nicht jede Mieterhöhung ist wirksam. Das Fatale: Haben Mieter einer Erhöhung zugestimmt, ist die neue hohe Miete verbindlich. Selbst dann, wenn der geforderte Betrag so nicht geschuldet war. Marion Beutel, Anwältin und Rechtsberaterin beim DMB Nürnberg, klärt im Gespräch über Mieterhöhungen und die damit verbundenen Probleme auf.
Mieter-Echo: Eine Mieterhöhung im Briefkasten zu finden, ist für viele Menschen erst einmal ein Schock, da ist ein verunsicherter Anruf beim DMB verständlich. Was sagen Sie den Menschen?
Marion Beutel: Zuallererst: Die Mieterhöhung nicht überstürzt unterschreiben, sondern bei uns prüfen lassen. Und als Zweites: keine Sorge – die gängige Mieterhöhung nach Mietspiegel wirkt ja nicht sofort, Mieter haben ohnehin eine ausreichende Frist zum Überprüfen.
Mieter-Echo: Was hat es denn mit diesen Fristen auf sich?
Marion Beutel: Das Gesetz billigt Mietern, die einer Anhebung auf die ortsübliche Miete zustimmen sollen, zwei volle Monate zu, plus den Rest des Monats, in dem das Erhöhungsschreiben einging. Wer im April 2025 eine „Mieterhöhung“ erhält, hat bis zum 30.06. Zeit, diese zu prüfen. Erst am Folgetag, dem 1.7., schuldet er – wenn alles korrekt ist – eine Zustimmung. Und erst zu diesem Tag würde sich auch die Miete verändern, nicht vorher.
Mieter-Echo: Was passiert, wenn der Mieter nicht widerspricht?
Marion Beutel: Nichts. Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass man einer Mieterhöhung widersprechen müsste, wenn man nicht will, dass die Miete sich verändert. Das muss man nicht. Die Rechtslage ist genau andersherum: Ohne Zustimmung eines Mieters bleibt die Miete dauerhaft unverändert.
Mieter-Echo: Das müssen Sie erklären.
Marion Beutel: Vielleicht muss man sich einmal vor Augen führen, was eine Mieterhöhung eigentlich ist, nämlich eine Änderung des Mietvertrages, was die Miete angeht. Grundsätzlich binden Verträge beide Seiten dauerhaft. Es kann also nicht einfach eine Seite kommen und sagen: „Ein Punkt gefällt mir nicht, ab morgen soll etwas anderes gelten.“ Das geht nur, wenn sich beide Seiten einig sind. Eine Vertragsänderung – zum Beispiel über die Miethöhe – kommt also nur zustande, wenn eine Seite sagt: „Ich will die Miete anheben“, und die andere Seite sagt: „Gern, da stimme ich zu.“ Bei Mieterhöhungen würde das kein Mensch freiwillig tun. Also gibt das Gesetz dem Vermieter unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Zustimmung.
Mieter-Echo: Was sind das denn für Voraussetzungen?
Marion Beutel: Zum einen müssen juristische Aspekte stimmen. Ein Blick in den Vertrag steht deswegen ganz am Anfang. Wer ist Vertragspartner, liegen Vollmachten vor, sind Mieterhöhungen aus juristischen Gründen ausgeschlossen? Diese rein juristischen Aspekte klären wir beim DMB zuerst.
Und dann wird es interessanter, denn dann wird geprüft, ob die Wohnung den geforderten Preis überhaupt hergibt. Mietspiegel heißt da das Stichwort. Und dann beginnt das, was die Ratsuchenden am deutlichsten wahrnehmen: sozusagen die Bewertung der Wohnung.
Mieter-Echo: Mietspiegel ist ein gutes Stichwort. Der Nürnberger Mietspiegel ist aktuell aus 2024. Was sagt er aus – was ist denn das überhaupt?
Marion Beutel: Auch hier wird es klarer, wenn man die Sache von der anderen Seite aus betrachtet, der juristischen. Ein Vermieter hat – so sagt es das Gesetz – einen Anspruch auf die sogenannte „ortsübliche Vergleichsmiete“. Bis zu deren Höhe kann er die Zustimmung des Mieters zu einer Anhebung verlangen.
Mieter-Echo: Da stellen sich gleich zwei Fragen: Was ist die ortsübliche Vergleichsmiete, und wie bekommt man die heraus?
Marion Beutel: Dem Gesetz nach wird die „ortsübliche Vergleichsmiete“ aus allen Mieten gebildet, die innerhalb der letzten sechs Jahre verändert oder neu abgeschlossen wurden. Der Begriff sagt also etwas ganz anderes aus, als viele meinen: Er ist nicht das, was als Inserat in den Portalen für ganz neu zu vereinbarende Mieten aufgerufen wird – die Neuvertragsmieten sind nur ein Teil der Daten, die in den Mietspiegel einfließen – und zwar der teuerste. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist aber auch nicht die am Ort gezahlte Durchschnittsmiete über alle Wohnungen hinweg. Denn die Mieten für Wohnungen, deren Preis seit mehr als sechs Jahren unverändert ist, werden dort aus gesetzlichen Gründen derzeit nicht betrachtet – leider übrigens, denn das wären die günstigsten Mieten.
Mieter-Echo: Nun müssen Sie uns nur noch sagen, was das mit dem Mietspiegel zu tun hat.
Marion Beutel: Ein Mietspiegel zeigt genau diese ortsübliche Vergleichsmiete und berücksichtigt dabei zum Beispiel Größe, Baujahr, Lage, Beschaffenheit und Ausstattung einer Wohnung. Er wird von der Stadt oder Gemeinde erstellt. Ist ein Mieterhöhungsverlangen erst einmal juristisch korrekt, prüfen wir in der Beratung anhand des Mietspiegels, ob die Forderung der ortsüblichen Miete für die Wohnung entspricht. Tut sie das nicht, teilen wir dem Vermieter mit, dass seine Forderung nicht oder nicht in voller Höhe berechtigt ist. Dann erklären wir eben nur eine Teilzustimmung. Und in manchen Fällen, wenn die aktuelle Miete schon über der ortsüblichen „Mietspiegelmiete“ liegt, verweigern wir auch die Zustimmung. Und wenn die Forderung des Vermieters sich mit dem Mietspiegel begründen lässt, empfehlen wir auch eine Zustimmung, denn die schuldet der Mieter dann auch.
Mieter-Echo: Und wenn Mieter entgegen der Bewertung nicht zustimmen?
Marion Beutel: Den Anspruch auf Zustimmung wird ein Vermieter dann letzten Endes vor Gericht durchsetzen können. Sich berechtigten Ansprüchen zu verweigern, ist also nicht ratsam. Zwar bleibt es dabei: Eine Kündigung hat zwar niemand zu befürchten, aber ein vermeidbarer Prozess verursacht Aufwand und Kosten – das sind Nachteile genug.
Mieter-Echo: In dem Ganzen schwingt oft der Begriff der „Kappungsgrenze“. Was hat es damit auf sich?
Marion Beutel: Das Gesetz will vor allzu heftigen Anstiegen schützen und zieht eine feste Maximalgrenze. Einen Mietanstieg von mehr als 15 Prozent muss in Nürnberg oder Erlangen niemand befürchten. In Gebieten ohne angespannten Wohnungsmarkt sind es noch 20 Prozent in drei Jahren. Auch wenn die Wohnung laut Mietspiegel sagen wir 30 Prozent teurer wäre als die derzeit gezahlte Miete, wird der Anspruch des Vermieters bei 15 Prozent „gekappt“.
Mieter-Echo: Wenn Sie als Juristin Ratsuchenden beim Thema Mieterhöhung einen Satz mit auf den Weg geben könnten – welcher wäre das?
Marion Beutel: Wenn ich zwei Sätze sagen könnte, wäre es mir lieber.
Mieter-Echo: Gern, welche?
Marion Beutel: Ganz wichtig: Die Sorge vor einer Kündigung ist unberechtigt, niemand sollte sich unter Druck gesetzt fühlen.
Und danach: Unbedingt prüfen, ob man zustimmen muss – mit einer Unterschrift legt man eine neue Miete dauerhaft fest und kann später auch keine Senkung mehr verlangen, wenn sich herausstellt, dass der Vermieter keinen Anspruch gehabt hätte.
